Unsere heutige Medienpräsenz als Christen findet größtenteils innerhalb der ‚christlichen Medien‘ statt. Wir sind zu einer christlichen Welt mit einem christlichen Publikum geworden. Dies ist sicher einer der Hauptgründe dafür, dass wir nicht so bekannt und anerkannt sind, wie wir es gerne hätten. Wie lässt sich das Thema: „Stimme eines Christen in den heutigen Medien“ am besten angehen?
In der Einleitung seines Buches „What has gone wrong with the Harvest“ (Was ist mit der Ernte schief gelaufen), schreibt Jim Engel: „In gewisser Hinsicht hat die Kirche Jesu Christi ihr goldenes Zeitalter erreicht. Die Massenmedien umspannen jetzt den Globus, die Bildung wächst zusehends und Menschen aus den verschiedensten Bereichen zeigen neues Interesse an geistlichen Dingen.“
Aber: Begleiten wir die Menschen auf ihrer Suche? Haben wir mit ihnen Umgang? „Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche. Darum ist es für jeden Christen und jede Christin unverzichtbar, Gottes Wort zu verkünden und seinen/ihren Glauben in der Welt zu bezeugen. Es ist jedoch wichtig, dass dies im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums geschieht, in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen.“ (Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt – Empfehlungen für einen Verhaltenskodex, veröffentlicht vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und der Weltweiten Evangelischen Allianz).
Steve Jobs wird mit folgender Aussage zitiert: „Das Christentum verliert seinen „Saft“, wenn es sich zu sehr auf Religion stützt, anstatt so wie Jesus zu leben oder die Welt so zu sehen, wie Jesus sie gesehen hat…“ (Biographie, Isaacson).
Über Dietrich Bonhoeffer heißt es: „Er begann zu erkennen, dass die Überbewertung des geistigen und intellektuellen Teils in der theologischen Ausbildung Pastoren schuf, die nicht wussten, wie sie als Christen zu leben haben, sondern die sich nur theologisch auszudrücken konnten“ (Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet von Eric Metaxas).
Jesus hat uns aufgetragen, in die ganze Welt hinein zu gehen und nicht aus der Welt heraus zu gehen! Das schließt auch die virtuellen Welten mit ein. Als Christen müssen wir uns fragen: Machen wir uns wirklich auf die Suche nach den anderen oder erwarten wir nicht eher von ihnen, dass sie von sich aus auf uns zukommen? Wie erleben sie uns? Wenn wir aufgerufen sind, in der Welt aber nicht von der Welt zu sein, sind wir dann zu sehr zu einem Teil ihrer Leben geworden, um eine Veränderung zu bewirken?
Viele von uns kommen aus Freikirchen, in denen wir Gottesdienste für Suchende und für Außenstehende entwickeln, anstatt dass wir zu ihnen hinausgehen und mit ihnen dort feiern, wo sie es gewohnt sind.
Jesus lehrte in den geistlichen Institutionen seiner Zeit, doch es scheint, als hätte Jesus wesentlich mehr außerhalb der Synagogen gelehrt, sich an Debatten und sozialen Aktivitäten beteiligt und sich so mit den Bedürfnissen der Menschen auseinandergesetzt.
Die große Vielfalt der heutigen Medien führt zu einer enormen Vielfalt von Gruppierungen, jede mit ihren eigenen Regeln, jede mit ihren eigenen Verhaltenscodex. Wenn wir ein Teil dieser Sub-Gesellschaften sein wollen, müssen wir das verstehen und entsprechend anwenden.
Ein christlicher Monolog….
Schon der Ausdruck „Christliche Medien“ verweist darauf, dass es sich dabei um eine spezielle Mediennische mit einer eigenen Bezeichnung handelt und eben nicht für ‚Christen in den Medien‘ steht. „Christliche Medien“ sind nicht mehr Teil allgemeiner Medien, sondern wenden sich heute vor allem an ein christliches Publikum.
Das Radio zum Beispiel ist eigentlich ein „Komm-Medium“ – ein Medium, dass zum Zuhören einlädt. Manchmal können Inhalt und Kontext allerdings auch eine Aufforderung zum „Gehen“ sein. Eine Predigt ist ebenfalls eine Einladung zum Kommen – und zum Zuhören. Die Aufnahme einer Unterhaltung in einer Bar, in einem Restaurant, Büro oder anderswo dagegen ist ein Ausdruck des „Hingehens“ und damit des Teilnehmens. Die Zuhörer spüren dies sofort. Im Gegensatz zu den ‚Social Media‘ steht das Radio vor der großen Herausforderung, kein bloßes Monolog-Medium zu sein, bei dem der Hörer auf die Rolle des ‚Zuhörers‘ beschränkt bleibt. Die sozialen Medien hingegen sind für den Dialog geschaffen.
Interessanterweise haben sowohl Dietrich Bonhoeffer als auch Tim Keller (um nur zwei zu nennen) sehr ausgeprägte soziale Aspekte in ihrem Glaubensleben. Sie leben ihren Glauben und reden nicht nur darüber! Gerade aufgrund ihres sozialen Engagements sind sie glaubwürdig. Sie selbst sind „Medien“. Das Evangelium hat eine soziale Dimension; die verändert, und diese Veränderung hat einen Einfluss auf unser Verhalten und wie wir wahrgenommen werden.
Das Predigen ist unsere Stärke; für gewöhnlich beurteilen wir unsere Prediger nach ihren Predigten anstatt nach ihren Fähigkeiten, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Statt mit ihnen zu reden und uns mit ihnen austauschen, predigen wir sie an. Aber wir sollten „Gute Nachricht“ sein und nicht nur darüber reden. Realisieren die Menschen, dass wir sie lieben oder haben sie den Eindruck, dass wir sie nur verurteilen?
Wie wird die christliche Stimme in den heutigen Medien wahrgenommen? Hören die Menschen: „Wir sagen euch“ oder „Wir sagen es uns“ oder eventuell sogar „Du und ich – wir reden zusammen“?
Anstelle einer Unterhaltung mit Außenstehenden, sind wir eher versucht, „Insider Diskussionen“ zu führen. Es ist so viel einfacher. Die Themen sind uns vertraut, so denken wir und darin fühlen wir uns wohl. Das ist „unser“ Ding. Wir treffen diejenigen, mit denen wir uns wohlfühlen und schrecken vor Diskussionen zurück, die wir nicht kontrollieren können, oder von Unterhaltungen, die uns möglicherweise überfordern und dadurch zu einer Bedrohung für uns werden könnten.
Wir können nur eine Stimme in diese Welt hinein sein, wenn wir in der Welt leben um sie verstehen zu können, aber nicht von dieser Welt sind. Dann können wir mitreden und eine Botschaft oder einen Gedanken ‚von außen‘ in eine Welt hineintragen, die wir verstehen und von der wir ein Teil sind.
Unterhaltungen
Wie können wir wissen, was in unserer Zielgruppe vorgeht, solange wir uns nicht mit ihnen unterhalten und Zeit mit ihnen verbringen? Jesus war immer unter den Leuten, er war einer von ihnen, abgesehen von der Sünde. Werden wir von den Menschen als „einer von ihnen“ wahrgenommen und gleichzeitig von unserer eigenen Gruppe als „einer von denen“ beschuldigt? Dann willkommen in der Welt von Jesus und den Anschuldigungen der geistlichen Leiter zu seiner Zeit, den Pharisäern! (Markus 2:16).
Johannes der Täufer, Jesus und sogar die Apostel haben mit den Menschen gesprochen und verbrachten Zeit mit ihnen. Sie haben die Leute nicht in die Kirche eingeladen, und sie haben auch nicht aus dem ‚sicheren und bequemen Schutz der Gemeinde oder Kirche‘ heraus zu diesen Menschen gesprochen.
Kann es sein, dass wir zu sehr zwischen „der Welt und uns“ unterscheiden, anstatt von „unserer Welt“ zu sprechen? Sagen wir „sie und uns“ anstatt dass wir uns alle einfach nur als „uns“ bezeichnen? Die Vielfalt der heutigen Medien gibt uns wirksame Möglichkeiten, um Menschen in ihrer Welt zu treffen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Wie viele der Programme, die wir über unsere Medien verbreiten, spiegeln unsere Perspektive wider? Wie viele dieser Inhalte wurden zusammen mit einem christlichen Publikum gemacht? Wie viele der Programme wurden in der Umgebung, wo die Menschen leben, produziert?
Bei aller Notwendigkeit, Menschen unmittelbar in ihrer Welt zu erreichen – wir dürfen ‚unsere Botschaft‘ nicht so aufweichen, dass sie ihre „Schneidkraft“ verliert. In der Welt aber nicht von der Welt – wir müssen zu einem „liebevollen Ärgernis“ werden, welches konsequent herausfordert, immer wieder einlädt und gemeinsame Diskussionen führt. Bei den Radiosendungen muss TWR ganz bewusst daraufhin arbeiten, dass sich der Hörer als Teil der Diskussion versteht.
Wie nehmen uns diejenigen wahr, die wir erreichen möchten und mit denen wir ins Gespräch kommen wollen? Sagen sie zueinander „Wir sind einer von ihnen“? Genau darum geht es uns- wir müssen zu glaubwürdigen Stimmen von Christen in den heutigen Medien werden.
Felix Widmer
Internationaler Direktor
TWR Europa, CIS, Mittlerer Osten und Nordafrika